freitagabende in der provinz zu verbringen habe ich nicht erst in meinem viel zu langen studium in ilmenau hassen gelernt. einen freitagabend jedoch in einer anderen bzw. irgendeiner provinz zu verbringen, die keinen internetzugang, nur dumme menschen und ganz viel schlechte laune bietet, ist andererseits dann eine - wenn man seine zynismus-synapsen anfeuert - lehrreiche, unterhaltsame und inspirierende lektion, bei der man erlebenswertestes vollidiotentum live bewundern und sich so seine gedanken darüber machen kann.
die provinz an jenem freitag nannte sich "wartehalle des flughafens baden-baden kurz hinter dem check-in". in meiner provinz befanden sich, neben mir, eine größere anzahl schlechtgelaunter menschen, die nach dem ausgefallen nachmittagsflug auf die "maschine" am abend umgebucht worden waren und deren laune sich nach der durchsage, auch diese "maschine" würde sich um eine nennenswerte zeitspanne verspäten, nicht unbedingt besser wurde.
nun sollte man vielleicht erwähnen, daß der flughafen baden-baden einer ist, der in anführungszeichen geschrieben werden sollte, obwohl dort doch deutlich mehr fluglinien ihre praktikanten stationiert haben als das beispielsweise in "leipzig"-altenburg der fall ist. dennoch ein witz eines flughäfchens, ungefähr ein dreihundertsiebzehntel mal so groß wie derjenige in frankfurt und mit einem entsprechenden angebot an alternativunterhaltung bzw. zeitvertreibsmöglichkeiten ausgestattet: im prinzip mit gar keinen. außer der provisorisch und ausnahmsweise länger geöffneten café-theke gab es also nur die möglichkeit, fröhlich in der wartehalle herumzufrusten und sich von mir einer der folgenden gruppen bzw. stereotypen zuordnen zu lassen:
a) die eingeschnappten
die eingeschnappten äußern ihren frust lautstark nach jeder aktuellen status-durchsage, ganz egal wie negativ diese klingt oder ob es nur die sicherheitsschleife ("bitte lassen sie ihr gepäck nicht davonlaufen") ist. die eingeschnappten sind einigermaßen gut gekleidet, tragen handgepäck und notebook in zwei verschiedenen taschen mit sich herum, lesen spiegel oder focus und verhalten sich sonst ruhig, wenn sie nicht gerade murmelnd über "dieses kaff" schimpfen. sie haben ihre verzehrgutscheine für kaffee eingelöst und sind später die ersten am boarding-counter, wenn es dann irgendwann wirklich losgeht.
b) die komiker
die komiker wären früher in der schule gern streber gewesen, waren aber leider zu dumm dafür. aus ähnlichen beweggründen versuchen sie der situation mit schlechten kalauern und half-man-shows beizukommen, ungefähr genau wie wenn ihnen beim sex peinliche dinge passieren und sie zu quasseln anfangen. die komiker finden die verspätung nicht ganz so schlimm, sie werden sowieso von niemandem erwartet, aber sie hoffen auf unverbindliche kontakte, vielleicht sogar zu einer frau, in der wartehalle. die komiker treten selten und praktisch nie in der gruppe auf, tragen allerdings sakkos und hemden in zweifelhaften farbkombinationen (lachs/türkis oder lila/gelb). der komiker ist einzelkämpfer und kauft mit seinen verzehrgutscheinen haribo-tüten und wassereis.
c) die gleichgültig-teilnahmslosen
die teilnahmslosen besitzen einen mp3-player, aber keinen ipod. sie haben eine innere ruhe gefunden, da sie sich bewußt sind, den flieger nun auch nicht herbeizaubern zu können. sie machen irgendwie das beste aus der situation, sollten dabei aber nicht angesprochen, sondern in ruhe gelassen werden. die teilnahmslosen sind rudeltiere, die sich mit blicken über wartehallendiagonalen hinweg verständigen könnten, es aber nicht wollen. sie tragen bequeme oder unauffällig-moderne kleidung. ihre verzehrgutscheine geben sie für zeitschriften aus.
d) die manager
die gefährlichste der verschiedenen gruppen ist die der manager. der manager ist leicht reizbar und hat die situation nicht im griff, wenn er nicht gerade mit seiner sekretärin telefoniert und ihr den begriff "regreßansprüche" diktiert, für den brief, den jene am montag als erstes an die fluggesellschaft zu tippen habe. er legt auf seinem notebook eine excel-tabelle mit einer liste aller ausgaben und entgangener einnahmen an, angefangen beim stundenhonorar bis hin zum verzehrgutschein, den er sich aufgrund der überteuerten café-angebote in bar auszuzahlen lassen gedenkt. der manager versteht keinen spaß und wenn er freundlich angesprochen wird, freut er sich, endlich einmal schimpfworte laut sagen zu können. der manager trägt manager-kleidung und liest das handelsblatt, wenn er nicht gerade damit beschäftigt ist, sich über seinen zu engen schlips zu ärgern.
e) die vielflieger
am lächerlichsten macht sich der profi- bzw. vielflieger. nach jeder durchsage, oder wahlweise ungefähr alle 20 minuten, telefoniert er lautstark "mit tegel" um sich wegen des zustands "der maschine" zu erkundigen, auf die alle warten. der vielflieger hat einen messiaskomplex, wenn er nach jedem sowieso schon viel zu laut geführten telefonat das ergebnis ("die maschine ist schon geblockt") den wartenden umsitzenden mitteilt. der vielflieger ist zu beschäftigt, um seine verzehrgutscheine einzulösen, und wird kurz vo dem start des boardings von einem kollegen, der die gerade gelandete "maschine" im moment auf dem rollfeld verläßt, angerufen. der vielflieger ist ein armseliges würstchen, das keine freunde hat. das verbindet ihn zwar mit dem manager, aber um freunde zu werden, sind beide viel zu beschäftigt mit professionellem checken der lage. der vielflieger beschimpft die schalterangestelltinnen, die nichts für die situation können.
f) der blogger mensch mit weblog
.. sitzt am rand des wartesaals, fühlt sich geistig latent mit den teilnahmslosen verbunden, ärgert sich ein bißchen, daß er eventuell zu einem konzert in berlin zu spät kommen wird, und tippt derweil einen text, den er später, sobald er sich nicht mehr in der provinz ohne internet befindet, dann sogar online stellen wird, wenn sich der anfänglich vorhandene zweifel an der qualität des texts dem peinlichen "schon viel zu lang nichts mehr geschrieben" untergeordnet hat.