aber das, was man verloren geglaubt hatte in these modern times, die sache mit der unsicherheit nämlich -- also das gefährliche, das vage, das unkonkrete, das es damals -im leben ohne netz- so oft gab und von dem man schon fast vergessen hatte, wie es sich anfühlt, während all den stetig durchlaufenden statusposten und befindlichkeitsmeldungen und datenschutzlecks und während all der erreichbarkeit und offenheit, die man neuerdings an jeder stelle spürt, draußen und drinnen, wenn wieder ein neue beta-community irgendwo losrennt oder wenn man darüber nachdenkt, was man so von sich preisgibt und wieviel-zuviel konkret-ness da jetzt wieder drin war -- also dieses vage, dieses schummrige, dieses eigentlich riskante am leben und an all dem, was inter- als vorsilbe hat, .. das existiert eben /doch/ noch.
weil: man es ja nie verlernt hat und die gleichen methoden weiter anwendet, wie man sie noch von früher kennt, beim darstellen seines netzzwillings. weil man es unbewußt macht, in einem blogtext oder einem tweet oder bei facebook: das spielerische, leichte. diffuse selbstdarstellung. das flirten mit der situation. ganz unbewußt, wenn man interpretiert und reflektiert und deutet und zwar darauf (auf eine situation, ein setting) antworten möchte, aber nicht zu viel preisgeben. wenn man einen text wie diesen liest und ihn auf sich anwendet, wenn man ihn der eignungsprüfung unterzieht. weil man sich keine namen mehr merkt, sondern sich menschen anhand anderer artefakte einprägt, die sich vielleicht in der form von den ehemaligen unterscheiden, aber doch nicht im zweck. weil man sich schließlich auch ein bißchen besser kennt als damals ohne die internetze, und weil man die menschen ein bißchen besser kennt. und schätzt und einschätzt. und weil man eben von all dem weiß, der inszenierung, und von der möglichkeit von echtheit. weil man so sehr verinnerlicht hat, nirgendwo hundert prozent zu erwarten. weil berechenbarkeit langweilt. weil das manische klicken auf "check for new mail" fast das gleiche ist wie das frühere telefonhörer-anstarren und das ausprobieren, ob das telefon nicht vielleicht doch kaputt ist, weil es nicht klingelt. weil man die gleiche unsicherheit nur anders wahrnimmt, weil man sie vielleicht nicht mehr sofort "flirt" nennt, sondern "vorsicht". weil man mit all dem spielt, aus neugierde, so wie man früher mit lego gespielt hat, nämlich nach einer phase des bauanleitung-befolgens irgendwann die phase der kreativität, die phase, in der man die tools benutzt hatte, um neues und unbeabsichtigtes zu erreichen: bedeutung konstruieren mit der /art/, wie man facebook und twitter und myspace benutzt. weil dann eben doch wieder unterschiede da sind, zwischen absicht und inszenierung erstens, zwischen geschriebenem text und inhalt zweitens, und zwischen auswirkung und bedeutung zum dritten. und all das bewirkt, erwirkt dieses gefühl von spannung und vermutung, von ahnung und enttäuschung, von planung und zufall. flirten mit dem medium. wir produzieren unsere ungewißheit schon ganz automatisch.
es ist nämlich nicht das unglück im gegensatz zum glück, das kreativ macht und einen zum staunen und äußer(e)n bringt. es ist die ungewißheit im gegensatz zur sicherheit, die wir (-- wir beide, hoffe ich, und ihr anderen vielleicht auch --) so sehr benötigen um zu funktionieren. und die diesem ganzen blog-, social-, virtual-, zwonull-quatsch dann schließlich doch noch eine art sinn gibt.
und dann kommt man morgens an den schreibtisch und merkt, daß der akku schlapp gemacht hat über nacht. und während der kaffee kocht und der rechner mit echtstrom wieder hochfährt, malt man sich aus, mit welcher tragik jetzt gerade das textkonzept verloren ging, das man heute nacht um halb drei noch in notepad skizziert hatte, und kaum sitzt man mit dem kaffee dann am rechner, ist all das wieder da, denn bei leerem akku fährt das notebook wohl doch noch halbwegs ordentlich runter und all das verlorengeglaubte ist doch noch da und man resigniert so ein bißchen, weil man schon das entsetzte gesicht drauf hatte und jetzt doch nur wieder einen meta-text schreiben muß. vielleicht sollte ich mich in zukunft beim autofahren ja einfach wirklich mal nicht mehr anschnallen.
("man sollte blogtexte immer illustrieren, hat mir jemand mal gesagt", hat mir jemand mal gesagt. "sonst liest das keiner", hat mir jemand mal gesagt. "aber ich glaube, ich mag doch diese ungewißheit", habe ich dann geantwortet. aber jetzt kann ich ja viel behaupten.)