viel wurde geschrieben über die geschichte des musikfernsehens in deutschland. über die anfänge von mtv, über den zusammenschluss mit viva, über die abschaltung von viva2, über die parallelen zu den schwierigkeiten der orientierungslosen musikindustrie insgesamt. und vor allem auch über die schleichende änderung im programm der ursprünglich als musikfernsehen gedachten kanäle hin zu einem klingelton-werbeprogrammplatz oder der abspielstelle für amerikanische teenie-massenformate, in denen cribs gepimpt und dates ge-reallifesoap-inszeniert werden. aber dass das, was sich mal musikfernsehen nannte, irgendwann einen tragischen verlauf genommen und sich seit ein paar jahren offenbar eine zielgruppe im unteren einstelligen iq-bereich ausgeguckt hatte: geschenkt. das mag wirtschaftliche gründe mit einer mischung aus zielgruppenforschung und zeitgeist zu tun gehabt haben, und ein erneutes wiederaufbereiten und analysieren mit klassisch kulturwissenschaftlichem pessimismus soll jetzt auch nur kurz, im subtext dieses absatzes, stattfinden.
aber gerade deswegen, vielleicht, sollte auf "mtv home" hingewiesen werden. das format "drei moderatoren sitzen in einem studio, reden blödes zeug und zeigen einspieler" mag jetzt allzu spektakulär nicht klingen und ist es wohl auch nicht. aber als oase inmitten des oben genannten quatschs: eine wohltat. und womöglich durchaus auch ein erstes anzeichen der genesung des senderprofils, seit dem weggang von catherine mühlemann als senderchefin beziehungsweise dem darauf folgenden wechsel zu dan ligtvoet im sommer letzten jahres.
die drei moderatoren von "mtv home" sind klaas heufer-umlauf, joko winterscheidt und palina rojinski; das studio ist wie in einer amerikanischen sitcom als wohnung beziehungsweise wg inszeniert; die rubriken und einspieler scheinen irgendwo zwischen "nett gemeint" und "hätte man mtv gar nicht zugetraut, jedenfalls nicht nachmittags" zu oszillieren; der humor ist vermutlich bekannt, wenn man die hauptpersonen heufer-umlauf oder winterscheidt schon mal in einem anderen format erlebt hat. das ist alles nichts außergewöhnliches oder besonderes, und trotzdem hat man den eindruck, dass es ein erster kleiner schritt zurück zu brauchbarem fernsehen sein könnte – nicht nur im vergleich mit dem mist, der sonst auf den hinteren programmplätzen gezeigt wird.
in der ersten sendung beispielsweise soll es eine live-schaltung nach st. moritz zum "society-event des monats" geben, zur soundsovielten borisbeckerschen hochzeit – allerdings nicht, um hinter frauke ludowig her zu filmen, sondern um beckers ex-freundinnen exklusiv (jedenfalls: exklusiv um 16:30 uhr) zu interviewen. daneben werden nachts (dem anschein nach: friedrichshainer) studenten aus dem schlaf geklingelt, oliver pocher in eine (leider nicht zugenagelte) kiste gesteckt, weiterhin gibt es einspieler mit geradezu erstaunlicher political incorrectness (für mainstream-tv-inhalte) sowie – man sehe und staune – live-musik, im studio. auch wenn das in der ersten sendung nur "die atzen manny marc und frauenarzt" sein werden – selten genug.
natürlich: das klingt alles immer noch nach quatsch anstatt nach musikfernsehen, wie es mittdreißiger von viva2 gewohnt waren. aber wenigstens nach amüsantem quatsch: nach einer "netten" show, die niemandem weh tut. weil sie niemandem weh tun will, einerseits, aber auch weil sie nicht ganz so sehr die intelligenz der zuschauer beleidigt wie man bei mtv bisher befürchten musste, andererseits.
"mtv home", wöchentlich ab 12.6., freitags 16:30 uhr.
(dieser text erschien ursprünglich auf solokarpfen.de.)