eigentlich tarnt sich "osmos" nur als geschicklichkeits- oder strategiespiel. denn in wirklichkeit ist osmos ein geduldsspiel. noch eigentlicher ist osmos ein geduldsspiel, das die geduld nicht "auf eine harte probe stellt", so wie das anderswo oft mit geduld getan wird, sondern ein spiel, das die positiven aspekte, die beim aufbringen von geduld notwendig sind, in den vordergrund rückt: allem voran das eintauchen in und das arrangieren mit einer sehr speziellen "welt", also das un(ter)bewusste erlernen der -- im spiel überlebensnotwendigen -- abläufe.
ziel des spiels ist es, als einzeller-wesen ("this is you.") aufgaben zu erledigen, die meist sehr einfach klingen und aus ebenso einfachen sätzen bestehen: "become huge" bzw. "become the biggest" darunter am häufigsten. es gilt erstens: der größere knubbel saugt den kleineren knubbel auf; und es gilt zweitens: gesteuert und angetrieben wird der eigene knubbel im rückstoßprinzip, und zuviel einsatz dieses antriebs kostet energie, also größe. im prinzip ist das schon alles, was man wissen muss, wenn man als "kleiner blauer knubbel" zu spielen beginnt und innerhalb eines jeden levels auf dem weg zur größenvorherrschaft ist. man schwebt so (vgl. osmos-e) durch die gegend (vgl. k-osmos) und frisst kleine knubbel auf und weicht den großen aus. das ist alles.
das eigentliche regelwerk aber, und das ist das wunderbare an osmos, erschließt sich erst beim spielen -- und per gefühl. die taktiken, die man lernt, wenn man so als einzelliger knubbel unterwegs ist; die feinheiten der steuerung; die nebeneffekte bestimmter manöver. man kann an sich selbst beim spielen beobachten, wie eine transformation stattfindet vom lapidaren "befolgen eines regelwerks" hin zum "verstehen eines regelsystems", und das geschieht bei osmos ganz grandios subtil. wollte man anfangs noch mit mausklicks den spielverlauf beeinflussen, so gehen später all jene beeinflussungen in reflexe über. man spricht die sprache des spiels, man taucht ein. schnell bemerkt man auch, dass der schlüssel zum erfolg die oben schon erwähnte geduld ist, und zwar in ihrer ausprägung als behutsamkeit und vorsicht: zu anfang erscheinen die aufgaben noch überschaubar einfach, in späteren leveln dann schnell auf den ersten blick relativ aussichtslos. während an kontinentaldrift gemahnender spielgeschwindigkeit aber bemerkt man als spieler doch recht bald, dass trotz des vor einem stehenden 2-meter-gegners ein schrittchen vom (eigenen) einen auf zwei millimeter durchmesser schon mal gar nicht so übel ist auf dem weg zum erfolg.
osmos wirkt von anfang bis ende organisch, und dazu trägt der soundtrack bei: passend zum spieldesign läuft musik von biosphere oder gas/high skies im hintergrund, die -- wenn der spieler an einigen stellen den ablauf beschleunigen oder verlangsamen muss -- gleichzeitig indikator für ebenjene geschwindigkeit wird, wenn sie hoch- bzw. runter-gepitcht läuft (und immer noch geradezu motivierend, auf jeden fall aber nicht ablenkend bzw. störend wirkt). überhaupt: alles fließt und "wabert" und pulsiert, gerade so, als hätte man da wirklich einen mikroskopisch kleinen teil eines lebewesens als spiellevel vor sich.
sicher: ästhetisch bewegt man sich im bereich anderer klassiker wie beispielsweise rez oder darwinia (die ebenfalls ihren reiz ja gerade auch aus dieser "reduzierung" ziehen), auch spielerisch gibt es ausreichend vorbilder. und osmos ist auch ein nicht unbedingt komplexes, lang dauerndes spiel -- eine hand voll level, selbst für ungeübte mit wenig freizeit ist das nach ein paar stunden bzw. abenden erledigt.
aber: osmos kostet beim hersteller als download einen spottpreis (geradezu lächerliche ca. 7.30 euro, je nach umrechnungskurs), ist vermutlich besser als jede (teurere?) cd mit entspannungsmusik, und ist seit langem mal wieder ein faszinierendes kleines spielchen, in das man beim spielen wirklich eintaucht (was zumindest mir, neben dem oben genannten rez, in meinem bisherigen leben nur noch mit portal, ico, world of goo und tetris passiert ist), es ist frei von regioncodes oder drm-quatsch, es ist -- achtung, kitschfinale: -- wirklich total schön. mehr muss man dazu eigentlich gar nicht sagen.
(dieser text erschien ursprünglich auf solokarpfen.de.)