teil 1: im höllenkreis von aufgabe & hingabe
die ersten augenblicke, wenn du den club betrittst. ein bißchen so, als hättest du aus versehen einen dieser warensicherungsknubbel an der jacke gehabt und alle sehen dich an mit diesem milden interesse, weil man sich ja längst daran gewöhnt hat, daß die alarmanlage nur auf ein kassiererinnenversehen hinweist und eben nicht auf einen diebstahl, aber man kann ja mal gucken, wie derjenige reagiert, und wenn's nur zur eigenen inspiration ist für den fall, daß einem selbst mal das gleiche passiert.
ungefähr so ist das nämlich, wenn du in einen club gehst, aber noch nicht richtig dort angekommen bist, also in den ersten sekunden oder sogar minuten, wenn die dicke winterjacke und die beiden halstücher alleinstellungsmerkmal sind, das dich als "der auf dem weg zur garderobe" markiert, während neben dir geschwitzt und gehüpft wird, manchmal auch beides oder nichts, aber immer ohne winterjacke und schals. und du hast noch diesen tunnelblick, den du gern mit so einem metalligquietschenden soundeffekt erweitern würdest, also aus dem tunnel einen blick machen. damit du dich mit all jenen, die schon den blick auf rundum zu stellen in der lage waren, verbrüdern kannst, wenn auch noch nicht klar artikuliert, aber doch wenigstens auf dieser geistigen verbundenheitsebene.
ungefähr so ist das nämlich, wenn du in einen club gehst, du bist noch in dir, aber das ziel ist der taumel. jeder anrempler, jedes geräusch und jedes wahrgenommene verhalten von außerhalb deines kopfes zieht dich, schiebt dich, formt dich und paßt dich an. ein wenig vielleicht, als würdest du auf den wirkungseinsatz eines medikaments warten, wie valium oder irgendeines dieser auf -zepam endenden mittel, nur eben in umgekehrter richtung, wo du dich selbst bei der veränderung beobachten kannst und dir das gleichzeitig unheimlich und faszinierend vorkommt, du also staunst und angst hast.
ungefähr so ist das nämlich, wenn du in einen club gehst, und dann irgendwann locker wirst, egal mit welcher stimmung (langfristig) und laune (kurzfristig), egal mit welchen leuten du dich umgibst und egal ob du ein ziel hast oder nur taumeln möchtest. dann stehst du in der kulisse, und die statisten mutieren langsam und endlich zu darstellern, und die musik klingt irgendwann nach underworld, denn jede musik klingt irgendwann nach underworld, wenn man sie laut genug anlächelt und ziellos genug aufsaugt. jedes deiner ideale, jede deiner vorgaben verschwindet in der kühlen luftschnappluft draußen oder in die salzstangenbecher der bar hinein, wie heruntergefallene kontaktlinsen, nach deren verlust du plötzlich feststellst, daß du ohne sie besser sehen kannst.
ungefähr so ist das nämlich, mußt du wissen, am anfang von allem, dem angeblich ja ein zauber innewohnt.
(tbc)
wir sind alle terroristen. wir sind reich, wir sind helden, wir sind jung und matt, und wir sind natürlich wer. wir sind auch zu früh, wir sind wißbegierig, wir sind frei und dabei. aber keine engel. wir verbrennen finger und halten hände. wir sind eine szene, und wir sind nur zu gast. aber wir sind auch: ein feuerwerk, wir sind euphorie, wir sind stolz und wir sind wach. wir sind sand in unseren händen und wir sind toll, wir sind nur in einer phase. aber immer und in sicherheit spüren wir uns.
sie sagen, gleich und gleich verstünde sich prima. sie sagen auch, daß gegensätze sich anzögen, und wahrscheinlich ist beides davon auch irgendwie richtig, nur sind wir allen deutungen immer gekonnt aus dem weg gegangen, als wäre die zeit ein hindernisparcours gewesen und keine gemeinsame.
sie sagen, es sei schade drum. sie sagen auch, es sei besser so, und wahrscheinlich ist beides davon auch irgendwie richtig, nur kann sich unsere herzfrequenz noch immer nicht entscheiden zwischen tief- und hochpaß, und an stelle der ambivalenz zwischen haß und trauer ist jene zwischen verbitterung und gleichgültigkeit getreten.
sie sagen, sie hätten es geahnt gehabt. sie sagen auch, sie hätten sich das nie träumen lassen, und wahrscheinlich ist beides davon auch irgendwie richtig, nur wußte man das damals natürlich nicht. und hätte man es gewußt, wäre es vielleicht auch nicht anders abgelaufen, nur anders wahrgenommen worden.
sie sagen, wir hätten uns gut getan. sie sagen auch, wir hätten aneinander gelitten, und wahrscheinlich ist beides davon auch irgendwie richtig, nur war die zeit ja nicht trotzdem eine gemeinsame, sondern genau deswegen. du warst mein gegen-teil.
(putting the weights in my heart)
in der toleranzhölle angekommen:
wenn man sich über rollstuhlfahrer aufregt, die einem nicht die tür offen halten.
(der unvermeidbare)
wir hätten sein können, und wir hätten wollen müssen, nicht zwangsläufig in kausalem zusammenhang. all die could-haves und should-haves, die an so einem jahresende wieder übelkeit verursachen oder im ideallfall auch rausgekotzt werden, all die selbst- und überhaupt-zweifel, all die furchtbarkeiten und all das potential im vergangenen jahr: zählt nicht mehr. denn wir hätten sein können, und wir hätten wollen müssen, um 2007 -und eigentlich ja auch schon 2006- nicht von den verstimmungen, von den verdachtsresultaten, von den /geheimnissen/ überdecken zu lassen. (kognitiver tinnitus: das gefühl, eine pfeife zu sein.)
hilft nichts. jedes jahr wird verkorkster als das vorhergehende, und wenn man sich damit erstmal arrangiert hat, ist man nicht immer so verwundert oder geschockt an silvester. aber wir haben uns damit nicht arrangiert, wir können uns damit nicht arrangieren, denn dieses gefühl des hätten-sein-könnens und hätten-wollen-müssens scheint angeboren in der magengegend, denn die muß ja bekanntlich immer für undefinierbares herhalten. wir weigern uns zu resignieren, und für kapitulation -auch wenn jene wohl lösender wäre- sind wir noch nicht erwachsen genug, denn erwachsenwerden können wir nicht, niemals, denn wir tun so, als wären wir punkrock, so lange, bis wir es selbst glauben. wir hätten sein können, und wir hätten wollen müssen.
und im wohnzimmer nebenan blüht eine der letzten erinnerungen an uns, gerade als würde sie dabei lachen: uns aus-, in schlechten zeiten. und mich aus-, in ganz schlechten. tragik ist schließlich auch nur eine andere bezeichnung für konjunktiv.
2008, doppelpunkt.
lights out for darker skies
das haptisch beeindruckende einer neuen rasierklinge erschließt sich ja übrigens auch weniger auf der rasierten, sondern vielmehr an der rasierenden stelle.
(ironisch gebrochene kryptik für dummies: nur so tun, als wüßte man selbst schon nicht mehr, wofür die metapher steht.)
"dir läuft trotz aus der nase."
verwegenheit, teil 37
dies ist der winter der verdrängung, der winter der kleinen weißen pillen, der winter des selbstbetrugs und des sich-im-weg-stehens. du verstehst jetzt endlich, was "besinnung" wirklich heißt -- bands und songs verlieren an bedeutung, nichts muß mehr exorziert werden. erlebte abstumpfung. dies ist der winter eines rohrkrepierenden neuanfangs und eines glänzenden scheiterns. (mit beiden beinen im leben stehen und sich den punkrock vormachen -- auch nur eine art von verzweifel und projektion. selbstbetrug in der anderen richtung.) // und woher man dann doch diese zuversicht nimmt, fast schon als selbstverständlichkeit, daß es immer weitergehen wird. so offensichtlich, daß es nicht mal mehr als etwas besonderes wahrgenommen wird, daß irgendwann eine andere wohnung, eine anderer lebensplan, ein anderes konzept, eine neue liebe, ein neuer status erreicht wird -- die akzeptanz, das vollständige /aufgehen/ in veränderung. auch 'ne art von stillstand. // dies ist der winter der brodelnden euphorie, und dies ist der winter des fort-schritts. stammfunktion statt ableitung!
(& woher kommt eigentlich der kampfgeist? muß irgendwas mit berlin zu tun haben. und mit dem romantischsten aller morgennebel, in den die spitze des fernsehturms so oft eintaucht, auf meinen heimwegen. und den lichtern. und der musik, natürlich. und den menschen. und den klischees. die man so lächelnd akzeptiert, weil man sie als klischees enttarnt hat, und sich dann vormacht, man hätte es mit ironie zu tun. manchmal fühle ich mich so mitte .. nein: manchmal fühlt sich mitte an wie ich! perspektivisch denken!)
vielleicht am wochenende ja doch mal vorsätze für 2009 ausformulieren.
in every dream home a heartache
hinter dem hauptbahnhof, heute nachmittag um ungefähr kurz vor vier, als die luft diesen eigenartig frischen geruch hatte, den kein raumspray jemals annähernd so hinbekommen wird, und als die dämmerung gerade kurz vor ihrem einsatz war (man also das potential zur düsternis ahnen konnte, um in meiner lieblingsformel zu sprechen), .. -- draußen kalt und drinnen warm, der player shuffelt nach the nationals "mr november" gerade den "company man" von michael j sheehy in meine ohren -- .., da spüre ich zum ersten mal das, was ich für eine weihnachtsstimmung halte.
angesichts und trotz und gerade wegen all der gestreßten und grimmigen gesichter um mich herum, und während und trotz und wegen der eigens gefühlten schwermut (bei der ich immer jüngereske marmorklippen-assoziationen haben werden, aber diesen zusammenhang erkläre ich vielleicht ein andermal) auf herz und hals ("kinder, kommt im haus, es gibt klöße!"), und während und trotz und wegen des gefühlten dazwischen-seins bezüglich dingen, menschen, zeit(en) und songs: nicht das klassische weihnachtsgefühl mit rot-weißem kitsch, lebkuchenherzen und an tankstellen verkauften "best of christmas"-compilations -- sondern eine mir ziemlich neue innere ruhe und gelassenheit, ungefähr als würde traurigkeit gerade in verbitterung umschlagen und das lächeln zwar zynischer, aber eben auch ruhiger werden. die fickrigkeit läßt nach. hallo, jahresende.
("ich bin das letzte biest am himmel.")
deutungen, reflexiv
und dann bemerkst du irgendwann, wie du spuren hinterläßt, im leben anderer menschen: kollateralartefakte. diese kleinen bezüge, dinge, elemente, die einen anderen begleiten, in form von songs oder wissen oder formulierungen oder außenwirkung oder denkweisen, denen du dein stempelchen aufgedrückt hast, wissentlich oder unwissentlich, irgendwann einmal. und du bemerkst, wie diese dinge reflektiert werden, denn die meisten äußerungen und wahrnehmungen sind eben doch nur reflexion in irgendeiner form. und dir wird also bewußt, in so einem kleinen kurzen moment (und "moment" müßte man jetzt eigentlich englisch aussprechen, glaube ich, ohne es begründen zu können), daß das leben von dings in dieser einen ausprägung, in diesem einen detail, beeinflußt wurde von bums. du spürst, daß du sinn machst (und das, wiederum, nicht in der banal-englischen fehlübersetzung, sondern viel grundlegender auf deutsch). und daß das vielleicht die einzig gültige, die einzig legitime, die einzig anwendbare definition für "sinn machen" mit lebens-bezug sein könnte. und du staunst und erschrickst, gleichzeitig. wie üblich.
und dann, auch: wenn dir auffällt, wie du das unterschiedlich einordnest, je nachdem wie du zu jener person stehst. wo dann das wort "beziehung" auf eine ähnlich grundlegende weise auf einmal einen sinn bekommt. wie sehr dich diese reflexion schmerzen kann bei ex-partnern, wie überraschend (weil plötzlich) man auf einmal dinge /versteht/. aber auch wie positiv berührt du bist, geradezu geschmeichelt, oder wenigstens entzückt, ja, besser entzückt -- bei den menschen, die du magst, auf irgendeine weise. und das muß sich ja alles noch nicht einmal gegenseitig ausschließen, leider.
wie unterschiedlich dann doch wieder solche reflexionen ablaufen können, und wie beeindruckend heftig und realistisch solche geflechte sind, zwischen allen menschen ("meinten sie netzwerktheorie?"). daß du manchmal einfach in einer menschenmenge stehst und nichts mehr kannst als nur noch zu staunen angesichts all dieser verknotungen und verwicklungen und gegenseitigen wahrnehmungen und beeinflussungen. wenn du so ein kleines bißchen spürst, wie die welt sich immer wieder festzurrt und löst, und rollt und hüpft.
briefbescherer, der:
über die sog. weihnachtsfeiertage nicht persönlich die verwandtschaft besuchende, sondern sich auf postalisch übermittelte grüße beschränkende person.