retro

einer der vorteile eines sog. altmodischen cd-players gegenüber einem sagenwirmal winamp ist ja auch, daß man, nachdem man auf "skip" gedrückt hat, eine halbe sekunde zeit hat zum nochmaligen drücken. das übrspringen von 5 songs wird nicht begleitet von den jeweils ersten halben sekunden der übersprungenen songs, die sich kurz zu wort melden, als wollten sie wenigstens ein "hey, ich bin auch noch da!" rausquetschen in den milli-augenblicken, die ihnen bleiben - sondern nur von dem dezenten surren der lasermechanik. unmittelbarkeit kann eben auch angst machen. hat mir früher besser gefallen, glaube ich. gibt's ein anachronismus-plugin für winamp?

remix 2

so rückblickend war das gestern wohl ein massiv uncooler abend (und das meine ich liebevoll!), als benjamin von stuckrad-barre in jena lesetourauftaktete. ja, ich war dort (aber ich finde ja auch soloalbum toll, was man in der öffentlichkeit ja eigentlich nicht mehr laut sagen darf). rechtzeitig, also viel zu früh. die brav wartende menschenmasse draußen bestaunend - "wir würden gern spex lesen, beschränken uns aber auf neon und visions" - die sich später zu einem uncoolen publikum im klassischen sinn entwickeln sollte, das an den falschen stellen lacht, witzig gemeinte passagen nicht als solche versteht aber ernstgemeinte anmerkungen für witze hält. und größtenteils uncool gekleidet war, aber da will ich mich nicht ausschließen. die vorlesestätte location, wohl ein ehemaliges schwimmbad, mit dem charme von leberwurstfarben braunen wänden, bestach dann auch durch eher gequält wirkende themen-cocktails an der bar ("schwimmbadbiere") und rotlichtbeleuchtung auf den klos als durch coolness, was bvsb (und selbst ich als fußballhasser muß bei dieser abkürzung immer an dortmund denken) - oder wahrscheinlich eher irgendeinen superhipper event-coördination-manager aus jena - offenbar dazu bewog, ungefähr 337 handkopierte a4-zettel mit seinem portrait wäscheleinenartig über dem zuschauerraum aufzuhängen.

was an bvsb auffällt, ist die fehlende souveränität (ja, ich wollte den begriff "uncool" ausnahmsweise vermeiden). als er unelegant auf die bühne gehopst kommt und seine begrüßung aufsagt, hat man den eindruck, er würde sowas zum ersten mal machen. als wäre er ein siebtklässler, der nervös sein erstes referat vor der gesamten klasse halten soll und mit dem overhead-projektor nicht klarkommt. der overhead-projektor ist (s)ein notebook auf der bühne, augenscheinlich für leseshow-untermalende slideshows im hintergrund gedacht, mit dem natürlich er auch nicht klarkommt, dieses nichtklarkommen aber zum programm zu machen versucht und leute aus dem publikum auf die bühne holt ("kennst du dich mit sowas aus? wollen wir mal ein bild bearbeiten? komm' doch mal auf die bühne."). klappt nicht recht. vom ersten text merkt man bvsb die unsicherheit an, er beendet jeden text mit dem phrasengleichen "das war der text, herzlichen dank", unterbricht manche texte und schweift "spontan" stelzend ab, läßt absätze weg ("blah, da kommt dann noch was uninteressantes, ich les' mal hier oben weiter") und wirkt wie jemand, der nicht so recht weiß, wie er gern wirken wollen würde. zuerst wird das publikum gesiezt, ab dem zweiten text geduzt. dem uncoolen publikum neben mir in der reihe gefällt's ("hach, der sieht ja schon toll aus!"), gegackert wird bei jeder noch so unwitzig gemeinten bemerkung. zwei stunden larifari-texte, unbedeutend, mit allerdings zugegebenermaßen wunderbaren formulierungen im detail. danach autogramme am merchandising-stand - wie befürchtet mit einer erschreckend verkrampften handschrift signiert er bücher, t-shirts, geklaute poster und was man sich sonst so signieren lassen kann. er macht immer noch den eindruck, als würde er sowas zum ersten mal machen, krakelt seinen namen ungelenk auf's papier und lächelt für fotos erstaunlich popstar-ungemäß unlocker. eigenartig, das alles. immer noch.

benjamin von stuckrad-barre beim autogrammegeben

(glaubt mir jetzt sicher sowieso keiner mehr, aber - mir hat's gefallen. ehrlich.)

hustler - hardcore since '74

"nettes t-shirt. bist du jahrgang '74?"
"nein, '75."
"hmm. dann paßt das ja gar nicht so richtig zu dir."
"ach, naja. ich hab' da so eine theorie, was meine eltern betrifft .."

porn sword tobacco

wer bohren & der club of gore noch für zu hektisch hält, wird an dieser platte seine freude haben. großartig, down-tempo, ach was, gar kein tempo, das vinyl-hintergrundrauschen ausnahmsweise mal dezent und passend eingesetzt, ultimate slow-motion. so klingt stromausfall, so klingt ein selbstmord freitod mit lächeln auf den lippen, so klingen trennungen nach 8 jahren beziehung, so klingt herzstillstand. glaube ich. beängstigend. großartig. und ausschließlich nach 3 uhr nachts hörbar (dann, wenn man die hintergrundgeräusche für echt hält).

quickshare

"ob sie gerade im urlaub auf safari sind, im asphaltdschungel ihren job erledigen oder partytiger beim revierkampf beobachten – egal. familie, freunde und kollegen sind nie wirklich weit weg."

und ganz genau deswegen kann ich auf solche features auch dankend verzichten. kann den marketing-fuzzis nicht mal jemand erklären, daß man sich ein mobiltelefon anschaffen und trotzdem mal seine ruhe vor der buckligen verwandtschaft haben möchte? mal abgesehen vom inhaltlichen nutzen. meine "familie, freunde und kollegen" sind sicher tierisch beeindruckt, wenn ich ihnen eine mms per umts über hsupa für mehrere euro auf ihr mobilfon-display schicke, anstatt einfach am nächsten tag von der "safari im asphaltdschungel" bei einem kaffee zu erzählen. aber okay, man erspart sich immerhin die mundgeruch-peinlichkeiten.

noch viel creepier sind aber die namen all dieser features. quickshare, personal connect, private music jukebox, lifeblog, .. bullshit bingo. niedliche euphemismen für "wir kapseln die darunterliegende technik so weit ab, daß man nur noch unsere proprietären protokolle einsetzen kann und längst nicht mehr weiß, was darunter eigentlich abläuft". eine der ersten amtshandlungen beim einrichten eines notebooks bei mir ist immer noch die de-installation (was ja auch eher destallation genannt werden müßte, aber das nur am rande) der mitgelieferten software, die sich an keinerlei gui-standards oder ergonomische grundsätze hält, sondern auf bunter oberfläche maximal drei große buttons mit den hauptfunktionen anbietet und hinter begriffen wie "magic gate" lustige einschränkungen der userrechte bereithält, die man aber natürlich irgendwie als besonderes feature verkaufen muß. ja, ich schweife ab. ich will jedenfalls wissen, was da abläuft, wenn ich eine cd rippe, wenn ich mir ein "persönliches fotoalbum im internet" anlege oder wenn ich auch nur auf einen menüpunkt irgendwo klicke. nein, ich spreche auch nicht assembler, aber aus dem erklärbär-sprachen-alter ("wenn sie hier klicken, geschieht alles vollautomatisch") bin ich nunmal auch raus.

liebe mobiltelefonhersteller: ich brauche weder quickshare noch t-zones, ich möchte aber wieder die möglichkeit haben, ein mit dem telefon aufgenommenes foto (hoho) als mail-attachment zu verschicken. mag ja sein, daß das vielleicht das gleiche ist, aber dann macht wenigstens irgendwo einen "switch to expert mode"-button an eure geräte, daß man das auch versteht. "smtp per gprs" klingt für mich immer noch vertrauter als "mobile photomail" oder dergleichen begriffskreationen.

liebes thüringen.

es ist ja nun kein geheimnis, daß uns so eine art haßliebe verbindet. ich bin hier um zu studieren (mails mit fragen nach der semesterzahl werden übrigens nicht mehr beantwortet), du bist hier um zu .. hmm - wozu eigentlich? um mir das passende umfeld zum studium zu bieten? nein, das kann's nicht sein. aber ich gebe zu, es gibt schöne fleckchen hier in der nähe, das wetter könnte schlimmer sein (und wenn ich als quasi-ilmenauer das sage, will das schon was heißen), und zwischen den ganzen hirnlosen überschminkten disco-tussis finden sich manchmal sogar auch hübsche frauen mit mit grips und fiesem humor. man könnte sagen, wir haben uns arrangiert, oder? ich bin nach dem studium hier weg, das hab' ich dir versprochen, und du nervst mich möglich wenig mit ossi-dialekt, kleinstädtischem verwaltungs-blabla (obwohl ich es zugegebenermaßen noch nicht ganz verdaut habe, daß ich meinen hauptwohnsitz hierher verlegen mußte, nur um vor der haustür parken zu dürfen) und provinziellem getue ("ost-produkte-garantie", anyone?).

letzten sonntag hat unsere beziehung aber einen deutlichen riß bekommen. was soll das? war das eine kampfansage an mich persönlich? oder eine art motivation, mein studium jetzt doch möglichst schnell zu beenden, um endlich aus diesem loch hier rauszukommen? gut, es gibt gegenden in berlin (wo es mich bekanntermaßen hinzieht), da hat die pds ähnliche wahlergebnisse wie hier. aber berlin ist groß genug, um das zu kompensieren. in diesem kaff hier fällt sowas direkt auf mich zurück. kannst du, thüringen, dir vorstellen, was für ein gefühl es ist, wenn man anrufe wie "was habt ihr denn da für eine scheiße zusammengewählt?" beantworten muß, und das regelmäßig?

ich erwarte ja gar nicht mal, daß ich mit meiner "todeskombination" (in der mich lustigerweise kürzlich sogar der wahl-o-mat bestätigt hat und mit der ich bisher bei allen wahlen ganz gut gefahren bin, jedenfalls was mein gewissen angeht) hier allzuweit komme. wenn ich in lustiger runde mein "grün-gelb" erwähne, halten die meisten hier das zwar für brasilianischen fußball, aber immerhin ist's mal eine gesprächsgrundlage. trotzdem, bei aller ost-verbundenheit - die rotnasigen clowns bekommen hier fast 35%? das kann doch nicht dein ernst sein.

schade, thüringen. aber ich will das jetzt auch gar nicht großartig mit dir diskutieren. wollte nur mal erwähnen, daß ich enttäuscht von dir bin.

die sieben temperamente der fernsehenden

ja, ich zähle mich dann wohl zur gruppe der involviert emotional genießenden habituell-genügsam distanzierten begeisterungsfähigen, teilhabend-skeptisch auf orientierungssuche den wissensdurst stillend und dadurch den streß bewältigend. (kurz gesagt, ich stehe dem fernsehen eher amtrivalent gegenüber.)

the desolation times

eigenartig ja auch, daß offenbar noch niemand auf die idee gekommen ist, eine zeitung dieses namens rauszubringen. der titel mag ja ein wenig nach "springfield observer" klingen, aber - rezensionen langweiliger musik, schlechtwettervorhersagen, mittelmäßige nachrichten, unfallstatistiken, todestrennungsanzeigen, interviews mit arbeitslosen, "ehrliche" horoskope, rimbaud-texte, anzeigen vom dgb, jede ausgabe als "die wahrscheinlich letzte" bezeichnen. und das ganze als beilage zur brandeins. marktlücke, vielleicht. wenn man nur mehr zeit hätte.