Year: 2009
one size fits most
an feiertagen und nach alkoholgenuß werden wir zuerst versöhnlich. wir lassen uns für u30-parties auf gästelisten schreiben, denn wir sind der meinung, das gefühlte alter sollte zählen, und bei starkem wind hören wir aus allen geräuschen die "word up"-hookline von cameo heraus. wir nennen es "prenzlberg" nicht obwohl sondern weil wir es besser wissen. wenn wir etwas vermissen, dann verstecken wir das als andeutung in kommentaren auf facebook, wissen aber natürlich, daß es die richtigen und die falschen leider trotzdem verstehen werden. unter herzhaft verstehen wir nicht schinken sondern liebeskummer, und unsere geschäftsideen sind meistens shirt-label oder was mit online. wir sprechen fließend, manchmal auch fremdsprachen. wir denken oft über gesten nach, aber wir neigen zu überinterpretation. wir vermissen oft, wir sind klugscheißer bei tag und durchseelt bei nacht. wir wehren uns gegen "generation soundso"-stempel, fänden aber den ausdruck "generation soundso" schon fast wieder gut, der ironie wegen. wir täuschen uns manchmal. wir benutzen pluräle und neologisieren gern, wir neigen zu abhängen und kryptisieren wortspiele. wir sind metrosexueller als wir jemals zugeben könnten, allein der begriff schon. im verstecken sind wir schlecht, aber wir kokettieren gern. wir erfinden sorgen, denn eigentlich haben wir keine, und wir verheimlichen lösungen, obwohl wir davon genug hätten. wir definieren uns über sammlungen und listen. und an guten tagen lächeln wir.
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active aggressive note // (xmas '09)
liebes tagebuchblog: weihnachten also. war doch gerade erst. die tage werden wieder länger, die aufmerksamkeitsspanne kürzer.
gestern abend noch, beim klopapier-und-bananen-kauf draußen, den trainingsanzugjackenträger im drogeriemarkt an der kasse vor mir je ein aftershave und ein duschgel aus der "playboy-edition" kaufen erlebt. sah man die verpackung an, wußte man sofort, wie das zeug riecht (und das galt für produkt und käufer gleichermaßen). darüber nachgedacht, in diesem moment, ganz abseits von werbeversprechen und dem bild, das andere menschen offenbar gern von sich hätten: wieso intellektuelles bling immer noch funktioniert -- also, das nicht dem 8-euro-haarschnittträger vorwerfend, sondern: wieso glauben leute noch immer an extrinsische versprechen, die darauf hinauslaufen, daß siejenige zu einem besseren menschen gemacht werden?
natürlich: mode funktioniert genau so, und gadgets und frisuren und bioobst und spenden für sogenannte gute zwecke (anstatt mal für gute gründe). aber so eine egoverbesserung, so ein individueller fortschritt, so ein "next level"-ding: weshalb funktioniert das bei mir eigentlich immer nur von innen heraus, woher diese abwehr gegen versuche von außen? ist das schon satanismus oder noch nur hermann hesse (beides egozentrik, nur in anderer darreichungsform)?
auf dem heimweg dann bemerkt, daß ja genau das mein problem mit weihnachtskitsch ist. und daß ich dramatisch froh darüber bin, heiligabend und alles drumherum in diesem jahr in der großen stadt, mit lebkuchen, kaffee, freunden, wodka, katzen, indierock und weißwein verbringen zu können. weil das aus mir heraus kommt, die begeisterung dafür, und nicht aus eigenartiger tradition.
just merried.
gärtner
ich bin kein optimist. ich kenne nur viele auswege. aber einen anderen weg, als den, daß wir uns verbinden gegen das, was wir ablehnen, kenne ich nicht.
der angriff der 13. fee: alexander kluge im interview mit dem der freitag.
(auch: videoversion des gesprächs auf dctp.tv.)
und ich habe beim lesen, auch, aber viel mehr noch beim sehen natürlich von kluge in gesprächen immer wieder dieses "mediale gefühl" -- daß kluge also sich nur als vermittler des gedankens sieht, nicht als autoren oder schriftsteller im langweilig-klassischen sinn. sondern als denjenigen, der einen inhalt nur noch zu tage fördert, der einer idee ermöglicht, sich zu verbreiten. also: der gedanke als auslöser, nicht der autor. sich als mittelbarkeit anbieten, sich dem versuch zur verfügung stellen. das finde ich dann jedes mal wieder charmant und respektvoll dem weltgeist gegenüber, glaube ich (also: auf so eine höfliche, nette art.).
(und dann merke ich, daß das ganz schön optimistisch gedacht ist, und daß das ja gar nicht zu mir paßt, also zu dem bild, was ich von mir habe oder zumindest mir hin-inszenieren will, aber die da drinsteckende ironie ist dann ja nur ähnlich charmant, und dann lächle ich und schreibe quatsch ins blog.)
de tail
man erliegt aber eben auch schnell dieser faszination des ungewohnten im leben: nicht zwangsläufig erst beim erkenntnisgewinn und auch nicht erst beim wahrnehmen von differenz/kontrast zwischen vorher und nachher während einer situation, sondern schon bei (während) der beschäftigung mit neuem, beim umgang mit situation(en). // unsicher jetzt, klar, ob das generell in ordnung ist (man reiche mir eine kontrollinstanz!), oder ob man (also ich) nicht womöglich -- während man so in der gegend herumreflektiert -- nicht ganz so meta ansetzen sollte mit dem begeisterungsanlaß. ob man sich dadurch also nicht eventuell zuviel bedeutung beimißt. ("who cares?", rief daraufhin die kontrollinstanz, die hier gerade sowieso noch rumsaß. und da hatte sie natürlich auch wieder recht.)
musik 2009 // (3×10)
(nach ungefährer tollheit absteigend sortiert, jeweils.)
~ live
titus andronicus, bang bang club (04.03.)
the xx, lido (13.10.)
current 93, wgt leipzig (30.05.)
mono, lido (04.04.)
pet shop boys, tempodrom (25.06.)
psychic tv, festsaal kreuzberg (06.11.)
animal collective, melt-festival (18.07.)
poni hoax, roter salon (13.03.)
slow club, magnet (18.12.)
glasvegas, melt-festival (19.07.)
(knapp nicht mehr, aber auch super: bohren & der club of gore (20.12., berghain), mando diao (09.04., columbiahalle), glass candy (16.06., cookies), muse (07.09., admiralspalast), health (16.10., festsaal kreuzberg).)
~ alben
the xx - xx
the paper chase - someday this could all be yours pt. 1
the black heart procession - six
a place to bury strangers - exploding head
mono - hymn to the immortal wind
titus andronicus - the airing of grievances
julian plenti - .. is skyscraper
the twilight sad - forget the night ahead
fuck buttons - tarot sport
the antlers - hospice
(knapp nicht mehr, aber auch super: white lies - to lose my life, war tapes - the continental divide.)
~ songs
the xx - infinity
the twilight sad - i became a prostitute
titus andronicus - titus andronicus
oliver koletzki - u-bahn
fuck buttons - surf solar
phantogram - when i'm small
the black heart procession - when you finish me
dial m for murder - the mourning comes the morning after
mittekill - wasser oder wodka
the paper chase - this is a rape (the flood)
(knapp nicht mehr, aber auch super: peaches - lose you, the durags feat. laverne - yeah yeah, mittekill - 20000 klassen, the dutchess & the duke - when you leave my arms, digital leather - bugs on glue, piano magic - you never loved this city, misfortune 500 - of a map.)
~ nachtrag
(hier, dings.)
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neues lieblingsverb: "palmen"
(hallo tante tagebuch.)
verbringe gerade ein paar tage auf gran canaria ("verbringen", auch so ein sonderbares wort für das, was man in so einem pauschalurlaub nunmal tut, also eigentlich fast das gleiche wie daheim, nur in anderem kontext, und das nicht nur weil man das notebook mitgenommen hat und das hotel u.a. nach entsprechendem wi-fi-angebot ausgewählt hat, sondern an der tagesgestaltung, also vielmehr an der taktik, wie man mit der verfügbaren zeit umgeht, also wie man sich dem "problem" der freizeit so nähert, denn das sind ja immer vergleichbare muster, aber vielleicht schreib' ich dazu nochmal einen längeren quatschtext irgendwann) -- verbringe also gerade ein paar tage auf gran canaria, ganz klassisch per lastminute im touristenflieger für fünf tage nach unter palmen, kurz vor weihnachten: und habe das sonderbare luxusproblem, daß hier nirgendwo guter kaffee aufzutreiben ist.
mal von dem nerd-getue und der kokettiererei abgesehen, die nur am anfang charming ist, also daß kaffee lebensnotwendig ist und all sowas, wundert es mich doch eigentlich eher "kulturell": jeden mist gibt's hier mehrfach, gerade und vor allem das touristenzeug, und die angereisten sind ja auch noch zu 90% aus deutschland oder den niederlanden (was genau wollte ich damit jetzt sagen? ich weiß es nicht, aber wahrscheinlich war es mir irgendein anliegen), an jeder ecke mehrere döner-, chinese-, pizzeria- und allyoucaneat-sachen und minimärkte und schlechte eisdielen und souvenirshops, aber nirgendwo ein starbucks und selbst der angeblich existierende mcdonalds wurde von mir noch nicht live gefunden. ich werd' das überleben, vermute ich, aber: bei der hotelkaffeeplörre und der faktisch anzunehmenden konkurrenzlosigkeit auf dem inselchen (also: auf vermutlich jedem touristeninselchen, nicht nur hier), wieso kommen die (achtung: jenes "die" ist ein sehr abstrakt gemeintes) meinen sorgen nicht mal ein kleines bißchen entgegen, und denen aller anderen u40-menschen auf der insel, die mit nescafébröseln vom hotelfrühstück einfach nicht klarkommen, und .. (restliche aufzeichnungen in unverständlichem gebrabbel untergegangen - es ging wohl um den latenten hang (doppelmoppel!) zur geschäftsidee bzw. gelegenheit, also warum man dann ja auch immer sofort diesen drang verspürt, "sowas" "mal" "hier" "aufzumachen", also ein gutes café für nichtrentner, und aber ach. wie ja solche texte eben immer mit "und aber ach" aufhören. sollten.)
zum schluß noch ein neidischmachbild ("statt karten", also statt ansichtskarten, denn das motiv ist genau das, was man auf englisch "generic" nennt, was aber auf deutsch - wieder was gelernt! - nicht "generisch" heißt, sondern irgendwas anderes, was ich jetzt aufgrund von faulheit mich zu ergoogeln nicht in der lage sehe), ab nächste woche dann wieder anders hochintellektuellen quatschcontent wie früher.
there, you go. ™
(der horizont kippt auch hier übrigens nicht nach links, das liegt vielmehr an meiner schlechten haltung. wie so vieles im leben.)
"there's something thrilling about honesty"
und immer auch dann, wenn laut meinen logfiles "google translate" auf ein hier irgendwo abgelegtes -beispielsweise- jpg(-bild) zugegriffen hat, stelle ich mir vor, wie all die kleinen google-tierchen versuchen, das jpg in eine ihnen (und ihm) fremde sprache zu übersetzen - also nicht den bildinhalt, womöglich im bild enthaltenen text (denn "google ocr" wohnt in einem anderen rechenzentrum und kommt nur gelegengtlich auf einen weltherrschaftsplankaffee vorbei), sondern: das jpg/jfif selbst. die metadaten, die bedeutung der datei und all ihrer innewohnenden mechanismen in ein anderes kulturelles system zu übertragen. das format verständlich zu machen. eine digitale abbildung eines analogen phänomens, mit all der quantisierung und diskreten kosinustransformation und weiß der geier, was die google-tierchen natürlich fließend sprechen (also: berechnen, aber das ist ja auch nur eine andere form von sprache) können müssen, deren bedeutung also zu übertragen in ein anderes system, zu vereinfachen (für den antragsteller der übersetzung). genaugenommen also das, was lehrer immer machen: variationen erschaffen, metaphern bilden, abstrahieren, algorithmen entwirren, sachverhalte von konkret zurück zu allgemein .. enttarnen. zu erklären, was da vor sich geht, wenn ein bestimmter moment in einem digitalen bild aufgezeichnet wurde, was das über den moment aussagt und die technik und die beteiligten und die welt. (und dann eben auch dieses gelegentliche gefühl der verbundenheit mit google, weil man (also ich) ja sowieso/auch dazu neigt, dinge zu (v)erklären und nahezubringen und eben auch zu übersetzen, und wie bei google bleibt es bei einem selbst ja derzeit meist noch beim versuch und der eher charmanten kapitulation.)
"in romance, as in show business, always leave them wanting more"
aber wenn man fragt, wo das herkommt -- das mit der traurigkeit oder der euphorie oder dem affekt oder dem übermut oder der hingabe oder kurz: dem verknallen in das situative, dem schätzen und spüren des moments --, dann will man ja auch eigentlich gar nicht wissen, wo das herkommt: man achtet einfach darauf, an welcher stelle des körpers es piekst, zieht eine gedankliche linie vom mittel- bzw. zielpunkt durch jene stelle nach draußen, und irgendwo dort von dieser halbgeraden wird das dann schon her-kommen. zwangsläufig. man meint mit der herkunftsfrage aber doch vielmehr: warum trifft einen das, wieso stand man gerade versehentlich in der zielgeraden dieses gefühls, welche konstellation hat dazu geführt, daß man das jetzt abbekommt. nicht zu verwechseln mit dem grund oder dem anlaß. sondern: was hat mich dazu gebracht, daß ich diesen affekt gerade erlebe.
(tbc)
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man redet nicht miteinander, man fängt miteinander nichts an. man trinkt sein bier und bleibt bei sich. jeder verwaltet die last seiner augenblicke, das ist alles, und begegnungen, die schmerzen oder erkenntnisse aufrühren könnten, werden tunlichst vermieden. nicht einmal die luft ist mehr rauchgeschwängert. (..)
(-- flugblatt)
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die zeitspanne, die ich benötige, um beim belauschen der startup-models vom nebentisch herauszufinden, wer von den beteiligten eigentlich der pitchende und wer der bepitchte ist, überbrücke ich meist mit dem zählen der begriffe "spannend", "performance" und "zielgruppe".