hymnen

am morgen danach wird auf facebook kreuz und quer alles ge-liket, was irgendwie mit dem gestrigen arcade-fire-konzert zu tun hat, denn jeder, der dort war, ist lächelnd nach hause gelaufen und lächelnd eingeschlafen und lächelnd aufgewacht. und empathie verpassen will niemand, am morgen danach. wie wohl das gefühl sein mag, eine band zu sein, die für lächeln sorgt, jeden abend, eine band zu sein, die dafür sorgt, daß menschen in hallen glücklich sind, eine band, der man es abnimmt, echt zu sein (geblieben zu sein, sein zu wollen, whatever), trotz der ganzen auch auf facebook immer wieder erwähnten "stadionrock"-sache, -- ob die band wohl weiß, daß ein paar tausend leute in sie verknallt waren am gestrigen abend, spätestens gegen ende während neighborhood #3 (power out) & rebellion (lies), als man freudentränen im gesicht hatte, aber eigentlich natürlich während der gesamten 90 minuten, ob die band wohl weiß, daß dieses positive so sehr abfärbt und für die meisten im publikum immer noch ungewohnt ist und ab morgen wieder sein wird, daß dieses positive vielleicht deswegen so schockierend nah ging, allen, -- wie die band mit dieser verantwortung umgeht, mit diesem nachklang, den sie hinterlassen, mit diesem unbesigbarkeitsgefühl, mit der relevanz, die sie geworden sind.

das würde ich sie gern irgendwann mal fragen.

duisburg und all sowas

ob architektur, kunst, kultur oder alltag – ein ausstieg aus dem pornographischen, nach immer mehr steigerung und eskalation fordernden system des spektakels tut not. das große event, das den einzelnen in die passivität zwingt, zum vieh macht, das den dialog und das wahre austauschen unmöglich macht und nur das besoffene (in jedem sinne des wortes) kybernetische aufgehen in der masse, im sportpalast-mob der neuzeit, ermöglicht, in dem es nur noch um konsumieren und ausscheiden zu gehen scheint, um eine tröstende form von anonymität in den schlangen vor bierwagen und chemotoiletten, um diese seltsame vereinzeltheit in der masse. vielleicht sollten wir wieder lernen, dass fußball auch mit 10 leuten ansehbar ist, dass kleine konzerte schöner klingen als sportstadien-gigs, dass weniger mehr ist.

(-- hd schellnack: tod und spektakel)

fümpf

der eher akademische diskurs rund um social software wurde von niemandem gelesen und in der folge vom eher technokratischen diskurs web 2.0 abgelöst, dieser wiederum wurde von niemandem verstanden und in der folge von social media abgelöst, der aber eigentlich nur angewandte pr ist. was fehlt ist eine theorie, die konsequent den wirklichen wert für den user (entlang des gesamten spektrums individuum – gruppe – gesellschaft – system) in den mittelpunkt stellt.

(-- markus spath: "the death of theory", 5 jahre live.hackr)

lesenswert, von oben bis unten, ..

(und gerade über die sache mit der granularität und atomisierung was zu schreiben liegt mir schon eine ganze weile quer im hinterkopf -- zwar mehr in bezug auf granularität von kulturgütern und rechtskram bzw sich stellenden fragen beim filesharing oder vielmehr bei dem, was da in wirklichkeit passiert, wenn man teil eines "schwarms", einer "cloud" oder eines p2p-chens ist, also über den übergang von bit über artefakt zu "item" im weitesten sinn und wo da die grenzen gezogen werden könnten, sollten, müßten, und, ach, .. bald, vielleicht.)

.. überhaupt das ganze zukunftsding, dieses gefühl beim lesen von hackr.de, wo man auf die nüchternstmögliche text-art there is das funkeln in den augen spürt angesichts der beschäftigung mit fortschritt, -- das begeistert mich. seit rund fünf jahren, übrigens. nurmalso.

wartende maschinen

wartende maschinen. zur ästhetik des hinterhalts -- in berlin derzeit zu sehen im rahmen der sonst leider eher nicht so umwerfenden shannon-ausstellung im mfk. (bonusfeature für blogleser: die "maschine, die auf einen zeitpunkt wartet", hat diesen, übrigens, im letzten jahr -schon- erreicht.)

das ausstellungs-mißfallen, übrigens, kann ich natürlich sehr wohl begründen, wenn auch nur subjektiv halbherzig: der raum ist zu klein, die info-screens nerven, shannon wird reduziert auf eine art "q" bzw. spielzeughersteller, zum riesigen thema informationstheorie und übertragungstechnik gibt es gerade mal ein exponat, .. all sowas, was einen dann eben unbefriedigt nach hause gehen läßt, mit einer handvoll stichwörter in der notizzettel-app des telefons zwar, über themen, die man "daheim mal genauer recherchieren" will, aber auch dem blöden gefühl, daß man das anhand des ausstellungs-flyers auch von vornherein zu hause oder in einer wlan-strandbar hätte machen können.

(shannon wiederum hätte die sache mit der entropie in diesem absatz bestimmt lustig gefunden. aber, ach.)

this is where i sleep, i wanna show you around // (solace!)

zur zeit ist diese, in der das klebrige zeug von den bäumen fällt, so daß es manchmal aussieht, als hätte es geregnet, wenn man abends zu seinem fahrrad zurückkommt und sich die augen reibt vom heuschnupfen. zur zeit ist diese, in der man wieder neue musik entdeckt und jeden tag abwägt zwischen schnellem vorankommen und zurückhaltenderem schlenderflanieren; mehr zeit an start und ziel -vs- mehr zeit für musik auf den ohren. zur zeit ist auch jene, wo man das, was andere sommergrippe nennen, zu ignorieren versucht, denn es gibt jetzt wichtigeres als das zeug da drinnen, und gurgeln und ibuprofen und kaffee schlagen dann gleich mehrere fliegen auf einmal. überhaupt, fliegen. ~~

dann hört man die hundreds-platte und denkt sich, daß das klingt, als hätten sich bodi bill mit barbara morgenstern zusammengetan, ach was, eigentlich ist das eine astreine barbara-morgenstern-platte, denn das zappelige fehlt, was bodi bill manchmal haben, und die hundreds-platte ist eigentlich nur frickelnd und lässig und passend zu dem klebrigen zeug, das von den bäumen fällt, zumindest wenn es nicht ganz windstill ist. die hundreds-platte ist eigentlich wie das ganz alte zeug von barbara morgenstern, also aus der zeit, als jene noch nicht im auftrag des goethe-instituts deutsche klischeeverkopfung unter der weltbevölkerung verteilt hat und anstrengend geworden ist und unbequem, aber nicht diese künstlerische unbequemheit, sondern eine lästige, die nicht mehr zu dieser jahreszeit passt oder irgendeiner anderen. ist aber auch völlig egal, sage ich dann demjenigen, der nicht fragt, was barbara morgenstern macht, denn die hundreds-platte ist eine eins-ah-morgenstern-platte geworden und ist also so vollgepackt mit dieser unaufdringlichen frickeligkeit, wie es sie eigentlich nur im spätsommer gibt, und spätsommer ist das da draußen ja eben nun gerade noch nicht, jedenfalls .. -- die hundreds-platte ist eine geworden, bei der man aus jedem einzelnen pling ein mitte-hipster-strandbar-mixgetränk, etwa (!) mit aperol, heraushört, und sonnenuntergänge hinter dem fernsehturm, womit wir dann, huch, eben doch wieder bei bodi bill gelandet wären. ~~

zur zeit ist aber auch so eine, wo (..) die nerven blank liegen, wo man nur noch bock auf lange sätze hat, aber nicht mehr auf verschachtelte, wo vieles anstrengend geworden ist, insbesondere wenn man beim belauschenwollen des eigenen puls erschrickt angesichts ebenjener lautstärke, und vor lauter panik kann man nicht einschlafen in dieser zeit, weil ja auch überall bewegung ist. und weil man sich dabei ertappt, ratschläge nicht zu beherzigen, die man anderen gibt. am nächsten tag kauft man sich dann neue klamotten und wundert sich über all die menschen und fragt sich, warum das schokoladeneis so fad schmeckt, fader als in der eigenen kindheit jedenfalls, aber das erklärt man sich dann auch wieder mittels all der anderen menschen. und auf blanken nerven hat eis noch nie gut getan, nicht mal damals, als es noch leckerer schmeckte. ~~

es ist die zeit, in der man aperol-mixgetränke trinkt, das hundreds-album hört, man sich über nieselregen freut, festivaltickets wieder verkauft und einem die sommergrippe nichts anhaben kann, weil man sie nicht bemerkt. es ist die zeit, in der man über sich nachdenkt und ahnt, daß man momentan einen müden remix von sich selbst darstellt, dann aber lächelt, denn man hat vorher "gleichmut" im wörterbuch nachgeschlagen. außerdem hat man heuschnupfen, und stimmung. ~~

(".. and it's compilated.")

these new puritans, poni hoax, hurts, animal collective, agent side grinder, crystal antlers, scanners, desire, pan sonic, ulterior, chuckamuck, the aim of design is to define space, health, les tambours du bronx, sport, titus andronicus, white hills, wolves in the throne room, godspeed you black emperor & mando diao:

20 bands, drei tage -- das wäre mein erster draft für's wunsch-lineup, wenn günther jauch mich irgendwann fragt, wofür ich meine gewonnene million ausgeben möchte.

sammelalbum

zum ersten mal habe ich reiseliteratur dabei: ein schlecht gebundenes englischsprachiges paperback mit "bestseller"-aufkleber auf dem geprägten cover und hoher schriftgröße auf recyclingpapier im inneren. ein buch, das gemessen an der substanz zu lang, gemessen an der flugdauer zu kurz ist: man zwingt sich zur langsamkeit, damit beim rückflug noch etwas übrig ist von dem ablenkungspotential, das schund nunmal mit sich bringt, und das einem - gemeinsam mit den ohrstöpseln namens "psst!" - hilft, nicht am geschwätz der anderen zu verzweifeln. mein erstes mal jedenfalls mit einem typ buch in der öffentlichkeit, mit dem umzugehen ich nie gelernt habe -- es fehlen die taktiken des vertuschens, die subtilität fehlt, und egal, was ich mache, ich komme mir nur noch verkrampfter vor (und bin es dadurch vermutlich auch), je lässiger ich das lesezeichen setze, je umgedrehter ich es hinlege beim aufs-klo-gehen, je leiser ich raschle beim blättern und je angespannter ich nicht lächle selbst bei den durchaus rundformulierten stellen. und, natürlich auch: wem habe ich etwas zu beweisen?, der sitznachbar ist nur smalltalk-komparse und die flugbegleiterinnen nur aufgrund ihrer uniformen heiß, for all they know könnte ich irgendein depp sein, der sowas jeden tag liest und die meisten derer, die es sehen, werden es noch nicht mal für belangvoll halten oder so viel gedanken daran verschwenden wie ich, und natürlich weiß ich das in jedem moment auch alles und ich denke über das sollenverhalten nach (als ich mir den begriff "sollenverhalten" ausgedacht hatte, übrigens, mußte ich wieder eine seite zurückblättern, weil ich kognitiv woanders war anstatt beim lesen, woraufhin ich dann beim zweiten lesen der seite darüber nachdachte, ob der bestsellerschund vielleicht doch nicht so banal ist wie ich dachte, denn sonst hätte ich den text ja auch un(ter)bewußt aufgenommen, und dann las ich alles ein drittes mal) und komme aber natürlich zu keinem schluß. ~~

am "plaza" vor der euston station (denn alles heißt offenbar "plaza", wo heutzutage coffeeshops und sandwichbuden und ökoveganbiosnackhändler um ein paar sitzbänke herumstehen) sitze ich apfelessend und kaffeetrinkend und versuche zu verstehen, wieso mir diese dezente art von gutmenschentum, die man hier mittlerweile überall vorfindet, so auf die eier geht, also diese womöglich sogar ehrliche version von korrektheit und freundlichkeit und biogesund und kaffee nur aus glücklichen bohnen und anstatt "einen schönen tag!" bekommt man "und noch eine tolle woche!" gewünscht. am meisten angst würde mir dann wohl auch genau das machen, also: wenn ich mir sicher wäre, daß das kein marketing ist, daß das nicht einer der punkte im zweijährigen "trainee-camp" ist, daß das nicht "modul: kundenansprache" heißt. oder daß die bedienung bei pret, die mir gerade ein sandwich verkauft hat, vielleicht wirklich mit mir geflirtet hat. im gegenteil: daß ich es durchschaue, zu durchschauen glaube, beruhigt mich. und das ist ziemlich genau so überheblich gemeint, wie es klingt, nämlich ungefähr mittel. ~~

in der u-bahn dann später das bibellesende mädchen. so wie es andere nicht-nur-mädchen mit der modestrecke von neon oder intouch machen. und in diesem moment war mein staunen noch nicht einmal wertend gemeint, sondern nur aus der seltenheit so eines anblicks heraus (grundlagen der informationstheorie: ereignisse und ihre entropie, bitte selbst wikipedia bemühen). abzüge dafür natürlich, daß es "die bibel" war, für den exotenstatus aber bonuspunkte. macht in der summe dann ein herzliches "egal", aber erwähnen wollte ich's aus irgendeinem grund ja doch. ~~

was übrigens auch schwer nervt: menschen, die wikipedia mit "wiki" abkürzen. (gleich hinter denen, die "steigern" und "teilen" verwenden; alles zusammen aber sehr weit hinter den "realisierern" und "am ende des tages"-feststellern.) ~~

ach, ich weiß, also, ahne, wieder: frage mich permanent, wo dieses gefühl der urbanität eigentlich herkommt, dieses gegenwärtige und greifbare, in einer stadt wie jetzt meinetwegen london, aber vermutlich auch anderswo, das es aber eben in berlin fuckingnochmal einfach nicht gibt. ichliebeberlinaber: das weltstädtische ist nur nachgespielt, ist eine geste, ist eine imitation. berlin ist geil und groß und kaputt und toll und all sowas, aber dieses gefühl, daß es moloch und großmut gleichzeitig darstellt, daß es atmet und einen charakter hat, -- das kenne ich nur aus anderen großstädten, weltstädten. und jedes mal, wenn ich dieses gefühl in beispielsweise london spüre und versuche zu greifen und in worte zu fassen, komme ich immer nur so weit: daß berlin in der hinsicht einfach ein bißchen unreifer ist. (weitergedacht würde das natürlich erklären, warum ich mich dort - also in berlin - so wohlfühle, nämlich weil die stadt "das zeug zu" etwas hat, das potential, die chance auf. wasted german youth: in berlin ironiefreier slogan, in echten weltstädten aufgesetzter zitatquatsch. berlin hat die möglichkeit zur weltstadt, berlin ist in der pubertät oder kurz danach und eiert halt so rum. und solang es möglichkeit bleibt, hat es auch diesen zauber von allem, was raum läßt, was unfertig ist, was auf einem weg ist. und diesen zauber, dieses gelegentlich regelrecht mystische, hat london dann beispielsweise wieder nicht, die stadt macht ja eher angst aufgrund ihrer welt-zugewandtheit vor allem (in kombination mit so einer subtilen unentspanntheit auch, erwachsensein eben und das auch zeigen wollen, wie man das als weltstadt halt macht), und diesen zauber jedenfalls verlöre wahrscheinlich auch berlin, wäre es "fertige" weltstadt, und "fertig" nicht im sinne derer, die montags aus der bar25 nach hause torkeln. worauf ich, glaube ich, hinauswill: das ist schon okay so, alles. mit allen haken. geflirtet wird mit london, gefickt mit berlin.) ~~

the national, astra, 20100509

mir fallen genau drei situationen ein, bei denen mir -reproduzierbar- immer die tränen kommen. weder vor positivklischee noch aus schmerzen, sondern weil mich olle weichei-tante da irgendwas an den emo-eiern packt und durchschüttelt ("mein herz blutig massiert", meinetwegen), so daß ich nicht mehr recht weiß wie mir geschieht und später versuche, das möglichst frei von mädchengrunzwörtern ("hach!" und synonyme) im blog auszuformulieren, denn in meinem biblischen alter kommt es selten genug vor, daß mich eine sache an den emo-eiern packt und bewegt. alle drei situationen haben, gottseidank, mit musik zu tun.

die erste situation ist, wenn ich auf "who put the 'm' in manchester?" am anfang "subway train / everyday is like sunday" sehe, wo sich während des songs ein fan nach vorn durchkämpft, um morrissey zu berühren, von der security abgehalten wird und schon fast aufgeben muß, morrissey dann aber an den bühnenrand kommt und ihm doch noch kurz die hand gibt. eine der herzzerreißendsten, schönsten, beeindruckendsten szenen aller zeiten, voller demut (morrissey, dem publikum bzw dem fan gegenüber) und stil und unaufgeregtheit und unerwartbarkeit und dadurch eben doch wieder seele. man flennt beim ansehen, weil man sich für diesen kerl aus dem publikum freut, weil man plötzlich sein bester kumpel geworden ist, weil man allen beteiligten geradezu ansieht, wie wichtig dieser moment für sie war, auch wenn's nur ein popkonzert ist, logisch, aber irgendwie baut man sich (heißt: ich mir) den enthusiasmus in seinem, meinem, einem leben halt doch aus erwartungshaltung und kontext zusammen, und in diesem moment waren die inszenierung und das resultat eben die vollkommenen hundert prozent. wun-der-fuck-ing-schön.

die zweite situation ist die beim gucken der arcade-fire-dvd "miroir noir". eigentlich permanent, aber doch vor allem beim finale, bei den letzten rund 20 minuten, wenn mir plötzlich (und immer wieder) bewußt wird, daß ich an die band glaube. wenn mich das immer wieder umhaut, diese spielfreude zu sehen, diese ekstase und euphorie und den ganzen kindergarten auf der bühne, die bandmitglieder, die sich in ihrer musik verlieren und mit solch einer selbstverständlichkeit hysterisch werden, daß ich natürlich zuerstmal verwirrt bin, aber dann eben doch lachen muß, und da sind's dann doch eher freudentränen wie beim wiedersehen verschollener bekannter, also wenn mir bewußt wird, daß ich diese band vermißt habe. 29 years oder eher noch länger.

die dritte situation ist, wenn ich the national live erlebe. je-des mal.

bild: (cc) realname @ flickr.com

(mehr bilder: hierdort, u.a.)