teil 3: früher nannten wir es ratzefummel

du merkst dann schon beim aufstehen, daß irgendetwas nicht stimmt. daß du aus versehen in irgendeinem paralleluniversum aufgewacht bist, daß die welt gerade ein bißchen eiert, daß irgendetwas nicht so ist, wie es sein sollte. und dann geht das brodeln los, das grummeln unter der schädeldecke, ungefähr wie einer dieser neunzigtausend-volt-transformatoren auf dem land, neben dem ganze dorfbevölkerungen unerklärliche schlafstörungen bekommen und sich erdstrahlen aus den wurzeln saugen anstatt mal die ohren zu öffnen. du stolperst durch die wohnung, durch deine straße, durch deine umgebung und deine wahrnehmung, und du wartest, weißt aber nicht auf was, vermutest und ahnst zwar stetig, und hoffst bei jeder kleinigkeit -- einem bestimmten telefonklingeln, der begegnung mit einer bestimmten jackenfarbe, dem geruch aus der nachbarlichen küche, irgendeinem bestimmten wort oder eben einem /moment/ -- darauf, daß sich der knoten löst, daß es kurz clickt und alles wieder in ordnung ist. der septim-moment ohne die folgende oktave, die blue note ohne bezugswert, der wasserkocher mit 97% leistung, bei dem das wasser nur siedet. und du wartest, und nichts passiert. außer der gewöhnung an das warten.

und später am tag fällt dir auf, daß du noch warten wolltest, aber sich der knoten längst gelöst hat, und dir fällt nicht mehr ein, wann und zu welchem anlaß das gewesen sein soll, an dem der sprung in der platte glattgeschmirgelt wurde und die musik endlich weiterlief. du denkst nach über den moment, der die sicht verändert hat, aber kannst ihn nur in unangemessen offenen intervallen eingrenzen. und ärgerst dich dann, nicht weil du den punkt nicht gefunden hast, sondern weil du ihn deswegen nicht reproduzieren können wirst wenn dieses unstimmigkeitsgefühl zum nächsten mal auftritt. aber vielleicht geht es ja eben auch gar nicht darum, die schiefe bahn wieder geradezulenken, vielleicht geht es ja genau /um/ die schiefe bahn, vielleicht ist der zweck des paralleluniversums ja genau dieser unterschied, diese differenz zu dem was sein müßte. diese verschiebung der ansicht. aus der du kreatives potential schlagen könntest, wenn du schon so weit wärst.

(aber nächstes mal dann, logo!)

(und es ist ja auch nicht der distinktionsgewinn, den man sich verspricht, indem man neue dinge ausprobiert, immer wieder. sondern vielleicht das, was bei diederichsen als "ein neuem sex ähnliches versprechen" bezeichnet wird. also vielmehr die /hoffnung auf/ den kontrast. und kontrast ist wichtig. wenn man sich an sich selbst annähert, zu seinem wesen findet, das man schon so lange kennt, benötigt man input in form von jenem neuen sex für die kleinen elektrischen impulse im kopf, sex im sinne von richtigkeit und erfahrung. anders zu sein, neu zu sein, originell zu sein bedeutet eben immer auch ausprobieren, testen, sich ziehen lassen, hingeben. das nichteingespieltsein, die auftretenden fehler und ablenkungen und /störungen/, beim neuen sex, ist das, was einen so fertigmacht und begeistert. weil es antrieb ist und lenkt und beschleunigt, im besten fall, und spaß macht und ablenkt wenigstens noch im fast so guten.)

(tbc)

in wahrhaft

wie gehst du durchs leben, wenn alles bedeutung für dich hat? wenn alles -- orte, klänge, menschen, gerüche, uhrzeiten, bilder -- aufgeladen ist mit erinnerung, mit spannung, mit geschichte und anekdote, mit bezug und verkettung? wie gehst du durchs leben, wenn du nur noch erinnern und wertschätzen, verabschauen und hassen, reflektieren und abwägen mußt bei allem, was dir begegnet? wie gehst du durchs leben, wenn effekte schlange stehen und augen funkeln und zehen gedrückt werden und alles so sehr /ist/? wie gehst du durchs leben, wenn der tisch kein tisch mehr ist, sondern eine vierseitige geschichte?

(wie gehe ich durchs leben, wenn alles in kontexte eingebunden ist? wenn kontexte in konstrukten liegen, wenn konstrukte in ebenen schwimmen, wenn ebenen gestapelt und gequetscht um mich herum präsent sind? -- so ähnlich, vergleichbar, nehme ich an.)

aber deine hände waren kühl.

der inszenierung eine routine: wenn du nicht aufpaßt, näherst du dich nämlich wieder dir an -- je länger man eine sache betreibt, desto ähnlicher wird man sich schließlich. ausnahmesituationen ebben eher langsam ab, aber die persönlichkeit (per sonare!) bleibt als grundton, und kommt irgendwann doch wieder durch. dann ist deine manie keine mehr, auch wenn du es gern so hättest, an ihre stelle sind dann kalkül und pragmatismus getreten. nicht unbedingt die schlechtesten eigenschaften um zu überleben, nicht unbedingt die besten aber, um etwas zu spüren. du willst nicht zu dir finden, aber du weißt nicht, was du sonst suchen solltest. reaktion gibt es eigentlich nicht, nur muster. und wenn all die symptome im detail erst einmal unerträglich geworden sind, ist es sowieso zu spät, dann ist der anlaß zum affekt verschwunden. (2006)

dem moment einen namen: und man möchte ja doch über jedes foto mit sich, über jede erinnerung an sich, über jeden text von sich aus der zeit von ganz zurück zum anfang bis heute minus ungefähr 12 monate "das war nicht ich!" drüberschreiben. das war ein anderer, der das verfaßte, damals, ich jedenfalls nicht, ganz sicher nicht. man hat sich doch verändert. und das ideal wäre, man sollte sich remixen können, andauernd, seine alten ichs, und je nach situation den passenden mix präsentieren, die perfekte komposition, die zum moment paßt und zur zielgruppe und zum zustand und zum abstand. die damaligen ausdrucksformen nicht verleugnen, aber ins richtige licht stellen. sich eine bildunterschrift geben können.

dem inne ein halten: diese substanz, die in asiatischen tütennudelsuppennudeln enthalten ist, die dafür sorgt, daß die nudeln unter energiezufuhr ziemlich schnell ein bißchen weich werden, aber dann ab einem bestimmten punkt nicht mehr weicher, also diese substanz, die den aldentegrad definiert und dafür sorgt, daß trotz zulangkochen innerhalb eines gewissen rahmens die nüdelchen nicht unnötig dollschlabbrig werden, diese substanz, die also dafür sorgt, daß die dinger weichabernichtzuweich werden (ungefähr so wie die friseurfloskel kurzabernichtzukurz) -- ob ich davon wohl bitte ein klein wenig für meinen momentanen herzkasper haben könnte? biete geschmacksverstärker im tausch.

ob das ein fußbad wäre, fragt sie mich.

nein, nur ein luftbefeuchter, antworte ich, aber stelle mir vor, was wäre, wenn ich doch eine fußbadmaschine besäße. wenn ich jemand wäre, der seine füße badet, baden müßte, baden wollte. ob ich vielleicht so ein wellness-fuzzi wäre, der sich freitagabends zur bestellten pizza mal etwas gutes tun will und das fußbad anwirft, und die kleinen perlen vibrieren niedlich in dem lauwarm-bis-warmem wasser, in das ich vorher noch wucherteures salz reinkippen mußte, das es nur in einem bestimmten sanitätsfachgeschäft am kudamm auf bestellung gibt, aber man gönnt sich ja schließlich so selten was, außer bei starbucks vielleicht. und die kleinen perlen vibrieren also in dem gerät, das so beruhigend knattert auf dem boden und dabei ein paar hundert watt verbraucht, aber schließlich läuft das ding ja nur eine halbe stunde lang, und die sache mit dem gönnen, und überhaupt. an den sohlen kitzelt es, ungefähr so, als würde einen da jemand kitzeln, und ich bekomme langsam dieses dämlich-sabbernde lächeln im gesicht, das die leute aus der fußbad-werbung auch immer drauf haben, und ich denke an die ostsee, letztes jahr, abends kurz vor der dämmerung, das rumlaufen am strand, das die füße mindestens genausogut massiert hat, aber wo soll man hier in mitte schon die ostsee herbekommen an so einem freitagabend mit pizza und günther jauch. und dann lächle ich latent debil noch ein bißchen weiter, nehme die füße später wieder aus dem plastikeimer heraus und tropfe mir ein bißchen salzwasser auf den teppichboden beim abtrocknen der schrumpligen haut, weil das telefon klingelt und ich schnell ins nebenzimmer muß. denn als jemand, der fußbäder nimmt, rechnet man nicht mit anrufen an freitagabenden.

war dann aber nur verwählt.

teil 2: die tragik der geste

und draußen, die welt. man sieht menschen, die sich nicht mehr freuen, sondern in dem einen moment, in dem sie analytisch zu dem schluß kommen, freude wäre angebracht, eine reaktion nachspielen. man sieht menschen, die gelernte gesten abspulen. man sieht menschen, die körperhaltung, artikulation und zerebralrhythmus kopieren von dem, was sie im fernsehen sehen, bei anderen menschen, die körperhaltung, artikulation und zerebralrhythmus auch nur kopiert haben. man sieht menschen, deren verhalten seicht wirkt, ungefähr so, als wüßten sie, was von ihnen erwartet wird, und würden sich bemühen, diese erwartung zu erfüllen, und gleichzeitig noch darauf hinzuweisen, daß sie erwartungen erfüllen können, aber nicht subtil genug, um wirklich sophisticated zu sein. menschen in steten bewerbungssituationen. man sieht menschen, die nicht nur auf ihr äußeres achten, sondern auf ihre rolle, in einzelnen fetzen zusammengeklaut aus dem, was sie für weiterentwicklung halten, was aber doch nur tragik ist, die differenz zwischen der eigentlich guten absicht und dem erbärmlichen ergebnis nämlich.

und drinnen, der kopf. der szenisch denkt, und reflektiert und wahrnimmt und verarbeitet und konstruktiv tickt. der situationen von außen betrachtet, sich über sich selbst gedanken macht. dem zitate einfallen, der gefühle in kamerafahrten und musik ausdrückt und eingedrückt bekommt. der kopf, der szenen vergleicht und auf mehreren ebenen gleichzeitig dinge versteht. überhaupt: der kopf, der versteht. der wie ein motor funktioniert, zwar manchmal stottert, aber eben doch immer läuft, vor allem im schlaf, besonders im schlaf, denn da passiert die kreativität, die dann bei nacht ausgelebt wird. da fühlt man sich echt, oder doch jedenfalls nicht fake, mit diesem kopf, denn es ist der eigene. und der kopf empfindet und spürt und leidet und atmet und spricht in direkter verbindung mit dem herzen, und daher kommt dieses gefühl des ideals. ungefähr so, als hörte man musik auf dieser persönlichen ebene, wie sie einen begeistert und man merkt, daß sie schalter umlegt und synapsen verbindet. die vollkommene und reine unmittelbarkeit.

und dazwischen, was? die grummelnde frage, wie sehr sich diese beiden dinge unterscheiden, ob sie das überhaupt können, ob sie das denn sollten, oder ob es eben doch nur zwei facetten der prinzipiell gleichen sache sind.

(tbc)

first and last and always

sei mein sinnbild, sei mein vorwand. sei interessant und sei vulgär, sei inspirierend und sei signifikant. sei gut und böse zugleich, sei meine relevanz. sei hysterisch und sei zynisch, sei lustig und sei verschwörerisch, sei zurückhaltend und bodenhaftend und begeistert. sei eine von den guten. sei provokant, sei tanzend. sei durchseelt und sei dir sicher. sei notwendig, sei teil meiner bande. sei tolpatschig und super. sei stilsicher und kaputt, sei unberechenbar und sei mädchen und sei frau. sei kokett, sei wesentlich, sei mein ideal und mein alibi. sei launisch und theatralisch. sei neugierig, sei drastisch und sei vollkommen. sei potential und spannung. sei zugleich wunde und klinge, zugleich stolz und zart, leise und laut, stark und schwach. sei verwirrend und toll, sei musik, sei nicht allein. bleib', wer du bist.

(laß mich die stimme in deinem bauch sein.)

teil 1: im höllenkreis von aufgabe & hingabe

die ersten augenblicke, wenn du den club betrittst. ein bißchen so, als hättest du aus versehen einen dieser warensicherungsknubbel an der jacke gehabt und alle sehen dich an mit diesem milden interesse, weil man sich ja längst daran gewöhnt hat, daß die alarmanlage nur auf ein kassiererinnenversehen hinweist und eben nicht auf einen diebstahl, aber man kann ja mal gucken, wie derjenige reagiert, und wenn's nur zur eigenen inspiration ist für den fall, daß einem selbst mal das gleiche passiert.

ungefähr so ist das nämlich, wenn du in einen club gehst, aber noch nicht richtig dort angekommen bist, also in den ersten sekunden oder sogar minuten, wenn die dicke winterjacke und die beiden halstücher alleinstellungsmerkmal sind, das dich als "der auf dem weg zur garderobe" markiert, während neben dir geschwitzt und gehüpft wird, manchmal auch beides oder nichts, aber immer ohne winterjacke und schals. und du hast noch diesen tunnelblick, den du gern mit so einem metalligquietschenden soundeffekt erweitern würdest, also aus dem tunnel einen blick machen. damit du dich mit all jenen, die schon den blick auf rundum zu stellen in der lage waren, verbrüdern kannst, wenn auch noch nicht klar artikuliert, aber doch wenigstens auf dieser geistigen verbundenheitsebene.

ungefähr so ist das nämlich, wenn du in einen club gehst, du bist noch in dir, aber das ziel ist der taumel. jeder anrempler, jedes geräusch und jedes wahrgenommene verhalten von außerhalb deines kopfes zieht dich, schiebt dich, formt dich und paßt dich an. ein wenig vielleicht, als würdest du auf den wirkungseinsatz eines medikaments warten, wie valium oder irgendeines dieser auf -zepam endenden mittel, nur eben in umgekehrter richtung, wo du dich selbst bei der veränderung beobachten kannst und dir das gleichzeitig unheimlich und faszinierend vorkommt, du also staunst und angst hast.

ungefähr so ist das nämlich, wenn du in einen club gehst, und dann irgendwann locker wirst, egal mit welcher stimmung (langfristig) und laune (kurzfristig), egal mit welchen leuten du dich umgibst und egal ob du ein ziel hast oder nur taumeln möchtest. dann stehst du in der kulisse, und die statisten mutieren langsam und endlich zu darstellern, und die musik klingt irgendwann nach underworld, denn jede musik klingt irgendwann nach underworld, wenn man sie laut genug anlächelt und ziellos genug aufsaugt. jedes deiner ideale, jede deiner vorgaben verschwindet in der kühlen luftschnappluft draußen oder in die salzstangenbecher der bar hinein, wie heruntergefallene kontaktlinsen, nach deren verlust du plötzlich feststellst, daß du ohne sie besser sehen kannst.

ungefähr so ist das nämlich, mußt du wissen, am anfang von allem, dem angeblich ja ein zauber innewohnt.

(tbc)

wir sind alle terroristen. wir sind reich, wir sind helden, wir sind jung und matt, und wir sind natürlich wer. wir sind auch zu früh, wir sind wißbegierig, wir sind frei und dabei. aber keine engel. wir verbrennen finger und halten hände. wir sind eine szene, und wir sind nur zu gast. aber wir sind auch: ein feuerwerk, wir sind euphorie, wir sind stolz und wir sind wach. wir sind sand in unseren händen und wir sind toll, wir sind nur in einer phase. aber immer und in sicherheit spüren wir uns.

sie sagen, gleich und gleich verstünde sich prima. sie sagen auch, daß gegensätze sich anzögen, und wahrscheinlich ist beides davon auch irgendwie richtig, nur sind wir allen deutungen immer gekonnt aus dem weg gegangen, als wäre die zeit ein hindernisparcours gewesen und keine gemeinsame.
sie sagen, es sei schade drum. sie sagen auch, es sei besser so, und wahrscheinlich ist beides davon auch irgendwie richtig, nur kann sich unsere herzfrequenz noch immer nicht entscheiden zwischen tief- und hochpaß, und an stelle der ambivalenz zwischen haß und trauer ist jene zwischen verbitterung und gleichgültigkeit getreten.
sie sagen, sie hätten es geahnt gehabt. sie sagen auch, sie hätten sich das nie träumen lassen, und wahrscheinlich ist beides davon auch irgendwie richtig, nur wußte man das damals natürlich nicht. und hätte man es gewußt, wäre es vielleicht auch nicht anders abgelaufen, nur anders wahrgenommen worden.
sie sagen, wir hätten uns gut getan. sie sagen auch, wir hätten aneinander gelitten, und wahrscheinlich ist beides davon auch irgendwie richtig, nur war die zeit ja nicht trotzdem eine gemeinsame, sondern genau deswegen. du warst mein gegen-teil.

(putting the weights in my heart)